Demontage aktuelles Gipfelkreuz​

Mit vereinten Kräften gefällt

Das alte Gipfelkreuz am Spechtenkopf oben über Reichenhall ist nun Geschichte. Im Sommer kommt ein filigraner Nachfolger mit altem Kern.

Von Mareike Klappenbach

Der genauere Blick Richtung Gipfel zeigt es gleich: Das Kreuz in luftiger Höhe ist verschwunden. Muskelkraft und Kondition waren gefragt am Donnerstagnachmittag für sechs Männer, eine Frau und sogar einen Hund: Mit drei Sägen, Akkubohrern, Hammer, Seilen und weiterem Werkzeug waren sie oben am Spechtenkopf ans Werk gegangen und haben den nächsten Schritt im Gipfelkreuzprojekt eingeläutet – und das morsche Holz umgelegt. Vor fast 57 Jahren hatten Jugendliche in einer Gemeinschaftsaktion das Kreuz auf den 1285 Meter hohen Gipfel getragen. Nun sorgt die nächste Generation für die Rundum-Frischekur (wir berichteten mehrfach).
Obgleich – so morsch war das Holz gar nicht, berichtet Mitinitiator Christian Stöberl. „Wir mussten ganz schön Arbeiten, um mit unseren Handsägen das überhaupt durchzubekommen.“ Dabei hatten vorher mehrere Handwerker den Projektinitiatoren um Stöberl und Stefan Resch bescheinigt, dass die alten Fichtenstämme ausgetauscht gehören. „Zwar waren die Ränder rissig und hier und da konnte man durchschauen, aber der Kern war gut erhalten.“
So müht sich das Team am Donnerstag ganz schön ab, nach zwei Stunden aber ist das Werk vollbracht und das Kreuz liegt am Boden. Ganz kontrolliert kann das passieren, weil Stöberls Vater Max, von Beruf Schlosser, extra eine Konstruktion mit Scharnier ausgetüftelt hat, die Stöberl junior dann oben vorm Fällen an das in die Jahre gekommene Material anbohren kann. Nebenbei bemerkt: Das Kreuz ist ein bisschen sowas wie Stöberlsche Familiensache, könnte man fast sagen. Großvater Willi, seines Zeichens Schreiner, hatte einst die Ursprungsbalken zurechtgesägt.

Mit Fernglas alles im Blick

Mit Fernglas von der Weitwiese in Karlstein aus beobachtet nun Senior Max die Arbeiten am Berg. Als einer der Aufsteller von 1966 kann er inzwischen die vielen Höhenmeter nicht mehr ersteigen − und wollte sich dennoch diesen Part der Aktion nicht entgehen lassen. Genau wie sein damaliger Mitstreiter Manfred Stibler, der sich als einziger der Teilnehmer von früher allerdings noch den mühsamen Aufstieg zugetraut hat. Oben angekommen schnappt er sich die Säge und legt Hand an an das Vermächtnis seiner Jugend. Bruder Rolf Stibler ist zudem mit von der Partie, genau wie Andreas Schubert und Dieter Helminger, Helfer aus der Kurstadt und von der Kolpingfamilie, die Stöberl und Resch unterstützen. In tragbare Stücke zerteilt das Team das alte Kreuz. Besonderes Augenmerk liegt darauf, den alten Kreuzungspunkt unbeschadet ins Tal zu bringen. Schließlich soll er das Kernstück des neuen Exemplars darstellen. Etwa in den gleichen Maßen – 4,80 Meter hoch und 2,90 Meter breit – soll es in ein paar Monaten wieder den Gipfelpunkt des Spechtenkopfs markieren. Aus dem Wald beim Kugelbachbauern stammt die Lärche, die die Staatsforsten gespendet haben und die in Piding den passenden Schliff bekommen hat.

Lärche liegt zugeschnitten am Bauhof

Fix und fertig wartet sie nun auf dem Reichenhaller Bauhof auf ihren Einsatz. Metallbauer Daniel Bender aus Urwies liegt mit seiner Arbeit ebenfalls gut in der Zeit. Aus pulverbeschichtetem Aluminium fertigt er die Halterungen für den Kreuzungspunkt. „Damit werden wir das zentrale Element des alten Kreuzes weiterleben lassen“, sagt Stöberl. Er weiß, wieviel Herzblut der Vorgängergeneration darin steckt. Das Nachfolgemodell wird eine etwas filigranere Holz-Metall-Variante (wir berichteten).
Um mit der Arbeit voranzukommen, war es nötig, das alte Kernmaterial in die Bendersche Werkstatt zu bekommen. Der eigentlich für Freitag geplante Abbautermin wurde vorverlegt wegen der schlechten Wettervorhersage. Drei Helfer, die nicht so spontan umplanen konnten, haben gestern verbliebene Reste heruntergetragen. Oben am Gipfel steht nun noch ein bisschen verlassen die alte Bank. Deren Tage sind aber auch gezählt und sie wird durch eine neue ersetzt.
Noch ein bisschen Zeit nehmen die weiteren Arbeiten ein, nach der Fällaktion können Bauhofmitarbeiter nun zum Beispiel oben das Fundament ertüchtigen, im Sommer soll das neue Kreuz dann seiner Bestimmung übergeben werden.
Anders als im Jahr 1966 muss es dafür nicht mehr in Einzelstücken den steilen Weg hinaufgetragen werden: Geplant ist, dass ein Hubschrauber das rund 350 Kilogramm schwere Kunstwerk auf den Spechtenkopf fliegt.
Apropos Einzelstücke: Auf jeweils etwa ein Meter Länge hat das Abbaukommando das alte Holz geschnitten. Auf den Rücken aufgeschnallt ist es zurück im Tal angekommen. Einen Plan, was damit passieren soll, gibt es auch schon, wie Stöberl erklärt: „Wir lassen es zu kleineren Kreuzen verarbeiten. Damit können wir den Aufstellern von einst, die den beschwerlichen Aufstieg nicht mehr schaffen, ein Stück ihres Kreuzes zurückgeben.“

Wer das Gipfelkreuzprojekt unterstützen möchte, kann spenden an die Kolpingfamilie Bad Reichenhall, IBAN: DE51 7105 0000 0000 176453, Verwendungszweck: Spechtenkopf, Erneuerung Gipfelkreuz. Mehr Infos zum Projekt unter dem Motto „miteinander – füreinander“ gibt es unter www.spechtenkopf.de.

Reichenhaller Tagblatt vom 25.3.2023